Während der gut dreieinhalbmonatigen Kampagne im Herbst und Winter rollen reihenweise vollgeladene Lastwagen auf den Hof der Zuckerfabrik, die Rüben türmen sich auf dem Gelände und werden nach und nach zu Zucker verarbeitet. Im Frühjahr schließt sich dann eine vier- bis achtwöchige Dicksaftkampagne an. Aber was geschieht den Rest des Jahres in der Fabrik? René Broicher, kaufmännischer Leiter bei Pfeifer & Langen, und Julius Meyer-Uellner, Standortleiter Produktion und Technik, erkären, was sich aktuell auf dem Fabrikgelände tut.
Nach Kundenwünschen
Ein Bereich, der 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, rund ums Jahr läuft, ist die Veredelung. Der im Silo eingelagerte Zucker wird gesiebt und den Kundenwünschen entsprechend in Säcke, Big Packs oder Kleinpackungen abgefüllt. Im 24/7-Betrieb läuft die Fabrik selbst nur während der Kampagne. Dann gibt es aber keine Gelegenheit, Maschinen abzuschalten, der Betrieb muss permanent gewährleistet sein.
Alle Vorbereitungen – für Mensch und Maschine – müssen deshalb außerhalb der Kampagne stattfinden. Schulungen für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter laufen deshalb in dieser Zeit, das Abbauen von Urlaub und Überstunden, vor allem aber die Instandhaltung der Anlagen und der Aufbau von Neuerungen.
René Broicher, kaufmännischer Leiter bei Pfeifer & Langen
In der Stillstandszeit wird alles frisch und fit gemacht für den nächsten Einsatz im Herbst: Apparate müssen auseinandergenommen und in Ordnung gebracht werden, mit dem Röntgengerät wird nach Haarrissen gesucht, manches wird von innen neu beschichtet, bei Undichtigkeiten wird geschweißt.
Der klebrige Zucker ist eine Belastung für Pumpen und Rohre, die müssen bei Bedarf repariert oder ausgetauscht werden. Auch Sensoren und Messgeräte aus dem Bereich der Elektrotechnik kommen auf den Prüfstand. „Wir müssen uns alles ansehen und erwartbare Störfälle ausschließen“, erklärt Julius Meyer-Uellner.
Ambitioniertes Zeitfenster
Neben der Instandsetzung stehen aber auch Investitionsprojekte an. Zur Kampagne 2021/22 hat Pfeifer & Langen einen Kessel von Braunkohle auf Gas umgebaut, aktuell steht der Bau der Niedertemperaturtrocknung (NTT) an, die bestenfalls zur kommenden Kampagne in Betrieb gehen soll.
Für solche Projekte ist das Zeitfenster zwischen den Kampagnen oft ambitioniert. „Was normale Unternehmen auf zwölf Monate verteilen, quetschen wir in die kampagnenfreie Zeit“, sagt René Broicher.
Dabei sind in der Zuckerfabrik die Produktion und die Instandhaltung vermischt – will heißen: Wer die Anlagen steuert, der setzt sie auch in Stand.
Der Leitstandfahrer ist beispielsweise auch Schlosser oder Mechatroniker. Abhängig vom Bedarf werden Kräfte aus lokalen Unternehmen – beispielsweise Metallbauer, Schlosser oder Elektriker – hinzugekauft.
Ein großes Lager
Bei diesen Arbeiten können die Mitarbeiter auf ein großes Lager zurückgreifen, in dem Ersatzteile und Reparaturmaterial im Wert von sieben bis acht Millionen Euro vorrätig sind. „Die Magazinverwaltung ist im Prinzip wie ein kleines Kaufhaus, das die Werkstätten versorgt“, erklärt Broicher. Auch dort wird ganzjährig gearbeitet, in der Kampagne aufgeteilt in zwei Schichten.
Im vergangenen und in diesem Jahr war die Zeit zwischen den Kampagnen eine besondere Herausforderung, weil das Team von Pfeifer & Langen auf Lieferanten angewiesen war und ist. Da wurden die Anlagen erst dann auseinandergenommen, wenn sicher war, dass die Ersatzteile auch wirklich kommen.
Die letzten Tage vor Kampagnenbeginn seien immer stressig, sagt Julius Meyer-Uellner. In Probeläufen wird getestet, ob wirklich alle Rohrleitungen dicht sind und alle Pumpen laufen. „Aber man kann nicht alles testen“, stellt er klar. „In den vergangenen Jahren hatten wir hier am Standort Glück. Man schwitzt immer ein bisschen, aber es hat gut funktioniert“, erinnert sich René Broicher.
Das sei wichtig, weil in der Prozessindustrie alles voneinander abhänge, sagt Meyer-Uellner. „Wenn in der Veredelung eine Maschine ausfällt, nehmen wir eine andere. Das ist ärgerlich, aber okay. Aber wenn die Rübenanlieferung nicht klappt, kann hinten kein Zucker rauskommen.“
Damit also vom Feld bis ins Silo alle Zahnräder ineinandergreifen, ist für die Kampagne die Zeit davor so wichtig.
Aachener Zeitung, Anne Schröer 27.7.2022